Frühjahrsinterview mit Bastian Schnurr
Frage: Herr Schnurr, Sie handeln unter dem Firmennamen „der Autojäger“ mit Oldtimern. Was ist denn Ihr Lieblingsauto?
BS: Was ich gerne fahre oder was ich gerne verkaufe?
Frage: Naja, ist da ein Unterschied?
BS: Nein. Momentan schlägt mein Herz für Italiener.
Frage: Ah, die teuren Sportwagen?
Antwort: Nein, die schönen Alltagsklassiker. Das, was Lebensgefühl vermittelt, was Ausstrahlung hat. Eine Giulia, mit der Sie im Sommer Ihre Frau von der Arbeit abholen. Ein Lancia Flaminia, mit dem Sie übers Wochenende nach Dänemark fahren. Das gilt aber auch für einen Volvo Amazon. Wenn Sie mit diesem Auto morgens beim Bäcker Brötchen holen, freuen sich alle die Sie treffen – und Sie sich auch. Solche Autos vermitteln Lebensfreude!
Frage: Aber sie gehen auch dauern kaputt und stehen in der Garage.
BS: Natürlich geht auch bei Oldtimern was kaputt. Im Unterschied zu modernen Autos übrigens geht es stets um technische Fragen, eigentlich nie etwas, wofür Sie einen IT-Spezialisten benötigen. Aber im Ernst: Meine Autos sind natürlich alle betagt – sie sind meist über 30 Jahre alt, echte Oldtimer. Die haben Asphalt, Wind und Wetter gesehen, die wurden geliebt, gelebt, gefahren und gepflegt. Das ist kein Neuwagen, auch kein EU-Reimport (auch wenn manche meiner Autos aus dem europäischen Ausland kommen) – Oldtimer sind per definition alte Autos. Wer was anderes behauptet, lügt. Und wer einen Oldtimer haben will, der ein Neuwagen ist, sollte die Finger davon lassen. Das kann es nicht geben.
Frage: Viele Händler versprechen aber Neuwagen-Charakter. Was darf man sich darunter vorstellen?
Antwort: Naja ein altes Auto, das im Vergleich zu anderen Autos seiner Baureihe besser erhalten ist als der Durchschnitt. Wenn Sie die Motorhaube aufmachen, ist da kein hochgezüchteter Sechszylinder-Common-Rail-Diesel mit angeblich null Emissionen drin... , sondern ein robuster Motor mit Vergaser, ohne AdBlue und Steuergerät. Für den einen ein Vorteil, für manch anderen manchmal eine Enttäuschung.
Frage: Naja, die Enttäuschung ist ja meist nicht technischer Art...
Antwort: Sondern?
Frage: eher so in der Art enttäuschte Liebensbeziehung. Man dachte, die knackige Vierzigjährige ist doch noch zwanzig Jahre jung.
Antwort: Verstehe ich nicht. Sie meinen, man kauft einen Oldtimer und es saß noch niemand auf dem Sitz? Ein Oldtimer ohne Vergangenheit? Wer so etwas sucht, sollte einen Neuwagen kaufen, ...oder erst einmal die Formensprache alter Autos aufnehmen...
Frage: Okay, also: Warum kauft man denn einen Oldtimer?
Antwort: Soll ich politisch antworten? Mal ehrlich: die alten Autos sind einfach viel schöner, haben Charakter, Geschichte und jeder kann verstehen, wie sie funktionieren.
Frage: Sie machen das seit zehn Jahren. Wie hat sich der Markt verändert?
Antwort: Stimmt, wir feiern dieses Jahr unser zehnjähriges Firmenjubiläum. Auch wenn ich schon länger in der Branche tätig bin. Was sich geändert hat? Es gibt natürlich mehr Investoren als früher. Vor zehn Jahren gab es einfach viele Leute, die wollten das Auto haben, in dem sie mit ihren Eltern – damals auf der Rückbank sitzend – in den Urlaub gefahren sind. Es gab Käufer, die wollten ihr erstes Auto nochmal besitzen. Denen ging es nicht so sehr um Preissteigerungen, die haben ihren Gefühlen freien Lauf gelassen.
Frage: Und heute? nur coole Spekulanten, die für wenig Einsatz viel Rendite auf vier Rädern suchen?
Antwort: nein, nicht bei meinen Kunden. Aber ich sehe in der Branche, z.B. auf Messen die Entwicklung, dass Autos gesucht werden, die vor allem im Wiederverkauf viel Geld bringen. Da spielen dann Gefühle und Geschichten keine Rolle mehr. Da geht es dann nur ums Geld. Das finde ich schade.
Frage: Sie meinen, man dürfe Oldtimer nur kaufen, wenn man sie aus ganzem Herzen liebt?
Antwort: Gegenfrage: Sind Sie schon mal mit einem alten Faltdach-VW Käfer durch die Stadt gefahren? Wenn ja, wissen Sie wie begeistert alle sind. Waren Sie vorher einsam, sind Sie es dann nicht mehr: alle sind begeistert. Denken Sie an die Isetta-Parade in München. Oldtimer sind mehr als Autos. Oldtimer haben Gesichter und Geschichte. Sie sind unverwechselbar. Wenn Sie einen Oldtimer kaufen, kaufen Sie seine Geschichte, seine Originalität. Diese Autos sind einzigartig – ob sie restauriert sind oder viel Patina haben. Sie finden jedes Autos immer nur einmal!
Frage: Im TV habe ich „der Autojäger“ gesehen – dass waren aber gar nicht Sie...?
BS: Wissen Sie, den Autojäger in dieser Form gibt es seit zehn Jahren. In dieser Zeit bin ich gelegentlich gefragt worden für das Fernsehen zu arbeiten. Aber aus Loyalitätsgründen habe ich stets abgelehnt Frage: Loyalität? Wie meinen Sie das? BS: Naja, in erster Linie geht es im Fernsehen um show and shine! Ich bin meinen Kunden, den Käufern und Verkäufern verpflichtet. Mir geht es mehr um tolle Autos und faire Preise. Das Fernsehen ist mir zu provokant und reißerisch geworden. Frage: ... also um markige Sprüche und Effekthascherei? BS: So könnte man das sagen. Ich wollte nie meine Verkäufer vor die Kamera ziehen oder Käufer mit ihren Träumen live portraitieren. Mir liegt das Vier-Augen-Gespräch mehr.
Frage: Das heißt, Sie finden einen Schatz in der Scheune und sprechen mit niemanden drüber? Antwort: Also ja, diese Schätze finde ich. Aber nein: Ich habe einen exklusiven Käuferkreis, den ich bei solchen Funden direkt informiere. Frage: Wie schätzen Sie das ein, entwickelt sich der Oldtimer-Markt zu einem Investoren-Markt oder steigt die Nachfrage von Liebhabern weiter?
Antwort: Viele glauben, dass es keinen „Nachschub“ an Oldtimer gibt. Das sehe ich anders. Denn was sicherlich bleibt: die Begeisterung von jungen Menschen für echte, unverwechselbare Autos. Um in Ihrer Unterscheidung zu bleiben: Für Vorkriegsmodelle, die dann fast hundert Jahre alt sind, verkleinert sich die Nachfrage. Aber es kommen eben auch Autos in das Visier, die gerade die zwanziger Marke passiert habe, aber selten und begehrt sind. Alle diese Autos werden ja nicht mehr gebaut. Eine Blase sehe ich im Gegensatz zu anderen nicht. Ich glaube, dass auch in Zukunft Oldtimer sowie auch Youngtimer für Liebhaber und Investoren begehrt sein werden. Aber man wird sicherlich immer mehr auf den Zustand schauen, als auf den Preis. Herr Schnurr, wir danken für das Gespräch! Antwort: sehr gerne